Unvollkommen unangemessen
23. – 25. Oktober 2020
Rahel Bruns
Lisa Busche
Aleen Solari
Vokalperformance Daniel Gloger (Countertenor)
im Rahmen des Blurred Edges Festivals
Unvollkommen unangemessen
Rahel Bruns, Lisa Busche, Aleen Solari
Werke von drei sehr unterschiedlich arbeitenden Künstler*innen in einer Ausstellung zu vereinen, ist ein Wagnis. Bei unvollkommen unangemessen ist das Unternehmen aber auf wunderbare Weise – nahezu vollkommen und absolut angemessen – geglückt. Die Exponate sind gemischt, aber in präzise durchdachten Konstellationen gehängt, so dass sie Vielschichtigkeit, Durchlässigkeit und Perspektivwechsel hervortreten lassen: in den einzelnen Werken wie im installationsartigen Neben- und Miteinander.
Lisa Busches malerische Arbeiten schöpfen aus einer äußerst reduzierten Form- und Farbpalette. Häufig entstehen ihre kalligrafisch wirkenden, Bildraum und Realraum verknüpfenden Leinwände und Leinwandfragmente wesentlich durch temporäre Abklebungen, um die herum oder in deren Spur hinein der Farbauftrag mittels Sprühdose gestisch erfolgt: von opak bis pudrig ephemer.
Rahel Bruns’ Arbeit setzt oft bei Alltagsfunden an, in denen sich unterschiedliche Bildebenen komplex überlagern. Für die gezeigte Werkgruppe hat sie Fotos, wie sie auf Ebay für den Verkauf von Spiegeln werben, vom spiegelnden Bildschirm abfotografiert und diesen „Bild im Bild“-Schichtungen durch alte, verstaubte Bilderrahmen noch eine weitere Schicht hinzugefügt. In den Ebay-Fotos spiegeln sich die Verkäufer*innen, voyeuristische Einblicke ermöglichend, meist unabsichtlich, während sie zugleich aus den Bildern heraus zu fotografieren scheinen. Bruns legt ihre eigenen Spiegelungen bewusst und verdichtend darüber. Sie thematisiert so die unterschiedlichen Beobachter- und Betrachterpositionen und beleuchtet die oszillierende Formation dessen, was „Fotografie“ oder „Bild“ genannt wird.
Die Arbeiten von Aleen Solari setzen bei selbst gefertigten Keramiken an, deren Glasuren schwarz, blau oder perlmuttfarben schimmern. Mit Fell, Stoffen, Ketten und Bändern aus dem Sportbereich sind sie zu eigentümlichen skulpturalen Fragmenten gefügt, die an Prothesen, Rüstungs- oder (Sport)Ausrüstungsmonturen denken lassen. Ihre Formen gleichen Brustschilden, der Schulterpartie einer Toga, Epauletten oder Schienbeinschonern. Sie erinnern an römische Büsten oder profanere Darstellungsweisen des Heroischen, die Solari – ihre Objekte mit Ketten, Bändern und Drahtkleiderbügeln luftig arretierend – mit „weiblichen“ Materialien und mit einem Formenvokabular der Fragilität und Labilität gewissermaßen postheroisch zerzaust.
Solari wie Bruns exponieren bestimmte Formen von Männlichkeit und der männlich dominierten Bildwelt. Dabei imaginiert Solari Körper, indem sie skulptural skizziert, was deren Kontur umschließt. Bruns fokussiert sie durch Spiegelungen, während Spiegelrahmen mit pinkfarbener Herzform, mit Knochen und Schädeln oder feisten Putten die Motivik von Eros und Tod herbeizitieren und Spiegelaufdrucke einen Muskelmann mit Schlange, einen Knaben mit neckisch-obszönen Po-Dekolleté oder einen militärischen Kondom-Rangordnungs-Comic.
Mit ihrer feinen, das genaue Hinsehen fordernden Bildsprache dimmt Busche die opulenten Imaginationen Solaris und Bruns’ Reflexionen unheimlicher, makaber sexualisierender Medienreflexe herunter. Dabei taucht auch bei Busche das Motiv der Spiegelung auf: Dort wo die ausgesparte, farblose Partie bei der einen Arbeit ist, hat sich bei der anderen das gesprühte Schwarz zu einer balkenartigen Fläche verdichtet. Der Bildraum beider wird von flüchtig an die Wand gehefteten, winkelförmigen Leinwandelementen aufgespannt. Das Verhältnis von Bildträger und Bild verflüssigend, hängen sie entfernt voneinander, spielen einander aber zu und setzen zugleich das Ausstellungsgeschehen zwischen ihnen gewissermaßen in Paranthese.
Vielleicht kann man sagen: Wie in einem Spiegelkabinett gegenseitiger Bezüge, von Interferenzen und Verdichtungen lassen alle drei Ansätze zwittrige Atmosphären des Antihierarchischen entstehen, in denen sich high und low, positiv und negativ, Aura und Trash, Reales und Reflexion mischen: Was ist der Rahmen, was das Bild? Was ist Zufall, was Abfall? Zeigt sich das Wesentliche im Fehler oder Bruch? Ist das Eigentliche nichts als die Spur des Uneigentlichen?